Flokkulation und Sedimentation von Hefezellen

Flokkulation und Sedimentation von Hefezellen
AutorInstitution
Schneiderbanger, J.Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität, Freising, Weihenstephan
Jacob, F.Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität, Freising, Weihenstephan
Datum 09. September 2021
Ausgabe3
Jahrgang89
Seitenzahl116-119

Die Flokkulation mit anschließender Sedimentation von Hefezellen ist ein komplexer Vorgang und für den Brauer von enormer Bedeutung. Einerseits ist die Flokkulation wichtig, um die Hefe auf natürlichem und auch kostengünstigem Wege aus dem Jungbier durch die anschließende Sedimentation zu entfernen, andererseits kann eine verfrühte Flokkulation eine zügige und vollständige Reifung des Bieres verhindern. Je nach Reifestadium des Bieres soll die Hefe demnach in Schwebe sein, um den übrigen Extrakt sowie Diacetyl abzubauen, oder wie nach der Hauptgärung erwünscht, sich möglichst abgesetzt haben, damit das Bier gut geklärt ist und genügend Erntehefe zur Verfügung steht. Damit die Hefe diesen Ansprüchen gerecht wird, ist es wichtig, ihren Stoffwechsel zu verstehen.

 

Als Flokkulation wird das reversible Verklumpen von Hefezellen zu Hefeflocken bezeichnet 1. Durch diesen Mechanismus verbinden sich tausende von Hefezellen, sodass die Hefe für das bloße Auge sichtbar wird. Begründet liegt dieses Verhalten der Brauhefe vermutlich darin, dass sie versucht, den für sie ungünstigen Umgebungsbedingungen (kaum noch Nährstoffe zum Ende der Gärung, erhöhte Alkoholkonzentration, niedrige pH-Wert etc.) zu entfliehen und ihre Überlebenschancen so zu erhöhen 2. Die Flokkulation scheint demnach eine Überlebensstrategie zu sein. Durch den Zusammenschluss der Zellen können die äußeren Zellen in einer solchen Hefeflocke die inneren darüber hinaus vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen. Des Weiteren wird gemutmaßt, dass es durch den gezielten Suizid (Apoptose) einiger Hefezellen im Verbund zu einer Nährstoffgenerierung für andere Zellen kommen könnte 3. Die Hefe sedimentiert in Folge der Flokkulation zum Grund des Gär- bzw. Lagertanks. Flokkulation und Sedimentation sind jedoch nicht gleichbedeutend, auch wenn sie z.T. zusammenhängen. Die Sedimentation wird zwar durch die Flokkulation begünstigt, allerdings können Hefezellen auch ohne zu flokkulieren sedimentieren. Dieser Vorgang dauert jedoch auf Grund der deutlich geringeren Oberfläche sowie der geringeren Masse der einzelnen Hefezellen deutlich länger. Grundsätzlich wird die Hefesedimentation von der Größe sowie der Gewichtskraft der Hefezellen, der Brown´schen Molekularbewegung, der Auftriebskraft, den Konvektionsströmungen im Gärtank sowie von der aufsteigenden CO2 beeinflusst (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1

Im Allgemeinen unterscheiden Brauer zwischen Staub- und Bruchhefen. Wie die Namen bereits zum Ausdruck bringen, neigen Bruchhefen eher zu einer Bruchbildung, d.h. sie flokkulieren, während Staubhefen wesentlich länger in Schwebe bleiben. An der Ausflockung von Hefezellen sind lektinähnliche Proteine, sogenannte Flokkuline (oder auch Flo-Proteine bzw. Lectin-Proteine genannt) beteiligt. Diese ragen aus den Zellwänden der Hefe heraus und binden im Falle von Brauhefen selektiv an Mannosereste, die in den Zellwänden der benachbarten Hefezellen vorhanden sind. Da Mannosereste stets an der Hefezellwand vorhanden sind, ist die Anwesenheit der Flokkuline bzw. deren Aktivität limitierend 4. Zur Aktivierung der Flokkuline werden neben anderen zweiwertigen Ionen wie z.B. Zn++, Fe++, Cu++, Mg++ und Mn++ vor allem Ca++-Ionen benötigt 2,5,6,7,8 (siehe Abbildung 2). Solange die Flokkuline nicht aktiviert sind, kann es zu keiner Flokkulation kommen. Bei Flokkulin-bindenden Hefen wird zwischen den beiden Phänotypen Flo1 und NewFlo unterschieden. Während untergärige Brauhefen stets NewFlo-Phänotypen ausprägen, kann dies bei obergärigen Hefen variieren.

Abbildung 2

Die Flokkulation von Flo1-Hefestämmen wird lediglich durch die Anwesenheit von Mannose inhibiert, während NewFlo-Phänotypen darüber hinaus auch durch die Anwesenheit von Glucose, Saccharose, Maltose und Maltotriose in ihrer Fähigkeit zur Flokkulation inhibiert werden 9. Diese Zucker besetzen die Flokkulin-Bindungsstellen und verhindern somit die Bindung zwischen den Hefezellen. D.h. während der Hauptgärung flokkulieren Hefen in der Regel auf Grund der Anwesenheit von diversen Zuckern nicht. Erst gegen Ende der Hauptgärung, wenn kaum noch Zucker vorhanden sind, die CO2-Bildung nicht mehr so intensiv ist, kaum noch Konvektionsströmungen im Gärtank vorherrschen und die Hefezellzahl ihr Maximum erreicht hat, sedimentieren sie.

Der Bauplan für Flokkuline ist in den sogenannten FLO-Genen hinterlegt. In   S. cerevisiae und S. pastorianus sind zahlreiche FLO-Gene bekannt, unter anderem FLO1, FLO5, FLO9, (beide Homologe zu FLO 1), FLONL, FLONS und LGFLO1 10. Je weiter ein Flokkulin aus der Zellwand herausragt, desto höher ist die Flokkulationsfähigkeit (aus FLO1-Gen resultiert das längste Protein). Eine wichtige Bedeutung hat darüber hinaus das FLO8-Gen. Dieses kodiert für Transkriptions-Aktivatoren für andere FLO-Gene 9. Erwähnenswert ist, dass jede Hefe stammspezifisch mehrere aktive Gene besitzt. Lagerbierhefen exprimieren zumeist die Gene Lg FLO1, FLO1, FLO5 und FLO9. Die FLO-Gen-Abschnitte liegen, mit Ausnahme von FLO11, sehr nahe an den Telomeren der Chromosomen und sind daher recht anfällig für Mutationen bei der Zellteilung 9. Somit kann es bei einem Brauhefestamm zu einer unterschiedlich intensiven Ausbildung von Flokkulinen in verschiedenen Generationen kommen. Dies erklärt das Phänomen in Brauereien, warum sich das Absetzverhalten mit steigender Anzahl an Führungen z.T. deutlich verändert (sowohl hin zu einer stärkeren als auch zu einer weniger intensiven Flokkulation)10,11,12. 

Neben der notwendigen Ausbildung von Flokkulinen an der Hefezelloberfläche sowie deren Aktivierung ist es darüber hinaus notwendig, dass die Hefezellen überhaupt miteinander kollidieren, um eine Bindung einzugehen. Hierzu sind eine genügend hohe Anzahl an Hefezellen im Medium, ein hydrophober Charakter der Hefezelloberfläche und eine gewisse Konvektion im Tank notwendig. Hinsichtlich der Oberflächenhydrophobizität und der Ladung der Zelloberfläche gilt: je stärker der hydrophobe Charakter der Hefezellwand und je niedriger die Zelloberflächenladung, desto höher ist das Flokkulationsvermögen der Hefe. Je höher die Ladung der Zelloberflächenladung, desto höher sind auch die elektrostatischen Abstoßungskräfte zwischen den Zellen. Grundsätzlich verfügt die Hefe über eine negative Ladung auf der Zelloberfläche, die durch die Anwesenheit von Phosphatgruppen und Mannoproteinen in ihrer Zellwand bedingt ist 14. Eine Abnahme der Zelloberflächenladung kann somit die Ausflockung durch Verringerung der elektrostatischen Abstoßung zwischen den Zellen bewirken 13. Eine größere Bedeutung hat jedoch vermutlich die Oberflächenhydrophobizität. Diese verändert sich im Laufe der Vermehrungsstadien. In der Lag-Phase des Hefezellwachstums ist die Oberflächenhydrophobizität noch recht gering, während sie beim Durchlaufen der exponentiellen Phase stark ansteigt und in der stationären Phase hohe stabile Werte erreicht. Dies bedeutet, dass junge Hefezellen deutlich weniger hydrophob sind als ältere Zellen, was wiederum zu einem geringeren Flokkulationsvermögen führt.

Neben den erwähnten genetischen Grundvoraussetzungen für die Hefeflokkulation sowie der Anwesenheit von Ca++-Ionen gibt es jedoch noch weitere Faktoren, die diesen Mechanismus beeinflussen.

Abbildung 3

 

Der pH-Wert kann einen Einfluss auf das Flokkulationsvermögen der Hefen haben. Studien zufolge flokkulieren Brauhefestämme nur in einem pH-Bereich von 2,5 - 5,5. Das pH-Wert-Optimum ist stark Hefestamm-abhängig, liegt jedoch üblicherweise bei pH-Werten zwischen 3,0 und 5,0 2,14,15,16. Eine mögliche Erklärung für das Flokkulieren bei niedrigeren pH-Werten bietet die Verringerung der Zelloberflächenladung, allerdings erklärt diese Hypothese nicht das Flokkulieren einiger Hefestämme bei hohen pH-Werten. Eine alternative Erklärung bietet die Inaktivierung der Flokkuline bei bestimmten pH-Werten 17. Des Weiteren ist es auch möglich, dass der pH-Wert die Aktivität der FLO-Gene direkt beeinflusst 9.

In Bezug auf die Umgebungstemperatur gibt es unterschiedliche Aussagen und Studien. Es wird jedoch vermutet, dass sie zwischen 15 und 32 °C keinen großen Einfluss hat 18. Diverse Studien belegen, dass das Flokkulationsvermögen von Lager-Hefestämmen bei Temperaturen von über 10 °C am stärksten ist 19,  andere, dass es unter 5 °C am höchsten ist 18,20. Das Flokkulationsvermögen scheint demnach stark stammspezifisch zu sein, was das Temperaturoptimum angeht. Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass durch eine Temperaturabsenkung die Sedimentation beschleunigt wird. Durch die Herabsetzung des Hefestoffwechsels wird allgemein weniger CO2 gebildet und auch die Konvektionsströme werden verringert. Somit wird die Sedimentation beschleunigt.

Ein weiterer Faktor, den es im Hinblick auf das Absetzverhalten der Hefe zu beachten gilt, ist die Hefebelüftung. So ist eine moderate Belüftung der Hefe förderlich für eine gute und ausreichend starke Flokkulation, während sehr intensive Belüftungen oder mangelhafte Belüftungen (anaerobe Bedingungen) zu einer nur unzureichenden Flokkulation führen 21,22.

Auch die Alkoholkonzentration im Bier hat vermutlich einen Einfluss. Ethanol besitzt scheinbar einen positiven Einfluss auf das Flokkulationsvermögen von Hefen, allerdings sind detaillierte zugrundeliegende Mechanismen bislang noch unklar. Ein möglicher Erklärungsansatz besteht darin, dass die FLO-Gene in Anwesenheit von Ethanol stärker exprimiert werden oder die Oberflächenhydrophobizität der Zellen ansteigt 17,23.

Wichtig im Hinblick auf das Flokkulationsvermögen kann auch die richtige Hefeernte sowie deren Aufbewahrung sein. Wie bereits erwähnt, besitzen junge Zellen ein weitaus geringeres Flokkulationsvermögen als ältere Zellen. Sehr junge Hefezellen weisen zu Beginn keine Flokkuline auf und sind demnach auch noch nicht für eine Flokkulation bereit. Die Flokkuline werden erst im späteren Verlauf der Gärung gebildet 24. Je nach Gärtank ist daher darauf zu achten, die mittlere Hefe (Kernhefe) aus dem Tank zu ernten, damit weder die alten, stark flokkulierenden Hefezellen (unterste Hefeschicht), noch die sehr staubigen Hefen geerntet werden (oberste Schicht). Somit sollte ein Hefekultur-Alter geerntet werden, dass für die nächsten Gärungen ein ausreichend starkes Flokkulationsvermögen aufweist, sich jedoch nicht zu früh absetzt. Eine Hefelagerung bei niedrigen Temperaturen scheint das Flokkulationsvermögen zu hemmen bzw. zu reduzieren. Allerdings zeigen Studien auch in diesem Fall, dass das Verhalten stark vom Hefestamm abhängig ist 25.

Eine Besonderheit bezüglich des Flokkulationsverhaltens ist das sogenannte „Premature Yeast Flocculation (PYF)“. Hierbei handelt es sich um ein frühzeitiges Flokkulieren und Absetzen der Hefe vor Beendigung der Hauptgärung. Dieses Phänomen ist überwiegend rohstoffbedingt (mit Ausnahme einer genetischen Veränderung der Hefe, die zu diesem Phänomen führt) und ist auf das Gerstenmalz zurückzuführen. Für PYF gibt es zwei schlüssige Hypothesen, die einen Erklärungsansatz für dieses Phänomen bieten (siehe Abbildung 4). Da vor allem Malze betroffen sind, die aus Gersten mit erhöhtem Schimmelbefall erzeugt wurden, wird davon ausgegangen, dass Schimmelpilze die Hauptverursacher sind. Eine Theorie besagt, dass Schimmelpilze Enzyme produzieren, um Nährstoffe aus der Spelzenschicht zu generieren. Diese Enzyme wiederum produzieren Polysaccharide aus z.B. Arabinoxylan und Cellulose der Spelzenschicht (sogenannte High-Molecular-Weight (HMW) Polypeptide). Diese können Kreuzverbindungen zu den Flokkulinen verschiedener Hefezellen ausbilden, was zu einer Flokkulation führt. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass die Gerste auf den Schimmelbefall mit der Produktion von antimikrobiellen Peptiden reagiert, um sich zu schützen. Diese Peptide wiederum stehen im Verdacht, die Membraneigenschaften der Hefezellen zu beeinträchtigen und die Zuckeraufnahme zu unterbinden, was ebenfalls zu einer Flokkulation führt 26.

Abbildung 4

Um das Flokkulationsvermögen einer Hefe zu untersuchen, gibt es verschiedene Testmethoden, die aufverschiedenen Messprinzipien beruhen. Zum einen kann die Bindungsstäke zwischen den Hefezellen untersucht werden, zum anderen kann die Zellmorphologie Aufschluss über das Flokkulationsvermögen geben. Darüber hinaus wird dieser Hefemechanismus durch das Ausmaß sowie die Geschwindigkeit der Sedimentation beurteilt. Die meisten Flokkulationstests beruhen jedoch auf dem sogenannten Helm´s Sedimentationstest. Somit basieren diese Tests auf Zählungen von freien Zellen in einer Kultur, die mit der Gesamtzellzahl verglichen werden. Zu den bekanntesten Tests zählen die ASBC- sowie die EBC-Methode 27,28. Allerdings gibt es weitaus mehr Messmethoden, die vor allem zur Detektion von PYF verwendet werden 29.

 

Wie aus diversen Studien und Forschungsarbeiten hervorgeht, spielen vor allem die genetische Ausstattung der Hefe sowie Mutationen im Verlaufe von mehrmaligen Führungen für den Brauprozess eine entscheidende Rolle. Dennoch gibt es für den Brauer Möglichkeiten, die Flokkulation technologisch zu steuern. Kommt es jedoch zu gravierenden „Fehlfunktionen“ beim Flokkulationsvermögen, so hilft in der Regel nur ein Neuansatz der Hefe, denn vermutlich kam es  dann bereits zu einer genetischen Veränderung .

 

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