Getränkeentwicklung

Erfrischungsgetränke auf Basis von Süßlupinen

Getränkeentwicklung
AutorInstitution
Dr. Bertram SacherLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Datum 29. Oktober 2020
Ausgabe4
Jahrgang88
Seitenzahl132-135

Der Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie (BGT) in Weihenstephan arbeitet seit einigen Jahren mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) auf dem Sektor der Getränkeentwicklung zusammen. Hierbei zielt man auf proteinreiche Erfrischungsgetränke, die aus Süßlupinen bzw. bei der Lupinenproteingewinnung anfallenden Nebenströmen hergestellt werden. Ein Entwicklungsprojekt konnte bereits abgeschlossen werden, ein zweites wird derzeit bearbeitet.

Entwicklungsprojekt 1

Produktidee und Zielanforderung

Ziel des ersten Projektes war die Entwicklung eines genussfähigen Getränkes oder eines Getränkegrundstoffes aus einem nutritiv hochwertigen, aber bislang ungenutzten sauren Beistrom der Lupinenproteinraffination. Es sollte ein proteinreiches Endprodukt entstehen, das kein hervorstechendes Leguminosen-bürtiges Aroma (bohnig) aufweist und im sensorischen Sinne so weitgehend neutral ist, dass es fruchtaromatisiert werden kann. Einen leichten an Milchsäurefermentation erinnernden angenehmen Ton durfte es dennoch besitzen, so dass es notfalls auch ohne A-posteriori-Aromatisierung genossen werden kann (vgl. Naturjoghurt). Ausgeprägte Vollmundigkeit und ein ausgewogenes Süße-Säure-Verhältnis, gesundheitsfördernde Merkmale (Milchsäure, B-Vitamine) sowie günstige techno-funktionelle Eigenschaften (leichte, homogene und langfristig stabile Trübung, Schaumaktivität, evtl. karbonisierungsfähig) waren weitere Forderungen. Schließlich sollte es den Trends „gesundheitsbewusst“ und „vegetarisch/vegan“ entsprechen.

Kombiniertes Maisch- und Fermentationsverfahren für Bekömmlichkeit

Hierzu waren durch ein kombiniertes Maische- und Fermentationsverfahren antinutritive oder die Bekömmlichkeit beeinträchtigende Inhaltstoffe der Lupinen abzureichern oder vollständig abzubauen, womit der Grundstoff auch sensorisch aufgewertet und stabilisiert werden sollte (Abb. 1).

Abb. 1 Antinutritiva in Lupinen

Abb. 1 Antinutritiva in Lupinen

Phytinsäure bildet Komplexe mit Metallionen (Zn, Fe, Ca) und führt zu einer geringeren Bioverfügbarkeit derselben. Die α-Galactoside Raffinose, Stachyose und Verbascose („Raffinose Family Oligosaccharides“, RFO) wirken infolge Gasbildung durch die Darmflora bei der Verdauung blähend, wodurch die Bekömmlichkeit herabgesetzt wird. Beide Komponenten können durch Fermentation mit geeigneten Milchsäurebakterien vermindert werden.

Wenigstens ein Teil der Phytinsäure sollte aber auch schon beim Maischen durch Malzenzyme eliminiert werden. Ursprünglich sollte der Lupinenproteinextrakt daher durch einen Maischprozess mit Hafermalz als Enzymquelle aufgeschlossen werden, weil diesem ein besonders hohes Phytasepotential zugeschrieben wurde. Daneben sollte eine Verbesserung der Proteinlöslichkeit bewirkt werden. Rasch stellte sich aber heraus, dass Lösungsfähigkeit, Enzymaktivitäten und Enzymstabilität bei Hafer deutlich schlechter zu bewerten sind als bei Gerste, selbst bei Maximierung durch ein eigens entwickeltes angepasstes Mälzungsverfahren.

Die Halbwertszeit der Hafer-Phytase bei den für das Maischverfahren infrage kommenden Temperaturen war signifikant kürzer als die des korrespondierenden Gerstenenzyms. Zudem exponierte sich Hafermalzmaische durch ungünstige Fließeigenschaften infolge hohen Pentosangehalts, was zum Verblocken des Treberkuchens führte und Fest-Flüssig-Trennoperationen in einem Läuterbottich praktisch unmöglich machte. Das Hafermalz war einem handelsüblichen Pilsener Gerstenmalz in allen Belangen unterlegen, weswegen für die weiteren Versuche letzteres gewählt wurde.

Aufbau des Maischverfahrens

Die Konzeption des Maischverfahrens gestaltete sich auch deshalb schwierig, weil der Proteinextrakt aus Lupinen (Lupi F) aufgrund des Extraktionsverfahrens einen pH-Wert von ca. 7 besitzt, die Malz-Phytasen jedoch bei einem pH von ca. 5 optimal arbeiten, während bei vorgenanntem Wert keine Wirkung mehr erzielt wird. Daher war eine separate Lupi F-Malz-Teilmaische zu halten, möglichst lange (> 1 h) bei niedriger Temperatur und unter ­pH-Absenkung durch Sauergut oder partiellen Produktrückfluss aus vorhergehender Produktion (Abb. 2).

Abb. 2 Maischverfahren zur Verarbeitung des Lupinenextraktes

Abb. 2 Maischverfahren zur Verarbeitung des Lupinenextraktes

Nur die reine Malz-Teilmaische (dick) wurde geläutert und die erhaltene Würze dann dem kühleren Lupi F-Malz-Ansatz zugegeben, wodurch in der Mischung schließlich rund 65 °C erreicht wurden. Weil Lupinenprotein bei > 65 °C ausflockt, konnte für die Inaktivierung der Malzenzyme keine höhere Temperatur gewählt werden. Andererseits erfolgt bei 65 °C zwar eine wirksame Pasteurisation, zum Beispiel auch die Abtötung vegetativer, auf Malz und in Lupi F stets vorhandener Bacillus-Zellen, Endosporen werden dadurch aber nicht unwirksam. Die sich anschließende milchsaure Fermentation sollte jedoch durch dras­tische pH-Absenkung wirksam Restaktivitäten von Malzenzymen und ein Auskeimen von Dauerformen schädlicher Bakterien verhindern.

Fermentation und sensorische Beurteilung

Prämissen bei der Auswahl von geeigneten Mikroorganismen für die Fermentation waren eine positive aromatische Wahrnehmung und die Fähigkeit Raffinose und Phytinsäure zu spalten. In Vorversuchen fanden sich zwei Milchsäurebakterienstämme mit Eignung für die Fermentation, nämlich der Stamm Lactobacillus plantarum 758 mit gutem Abbaupotential für RFO, jedoch nur begrenztem für Phytinsäure, der auch eine positive Aromawahrnehmung (harmonisch fruchtig, kaum Diacetyl) vermittelt, und Pediococcus pentosaceus 95 mit gutem Abbaupotential für RFO und Phytinsäure, der ein fruchtiges Aroma hinterlässt. Versuche zur Optimierung der Fermentationstemperatur und -dauer sowie der Startkeimzahl führten zur Wahl von P. pentosaceus, einer Gärtemperatur von 35 °C, einer Gärdauer von 48 h und einem Inoculum von 100·106 Z/ml.

Es zeigte sich ferner, dass eine dreitägige Warmreifung bei 40 °C die Sensorik weiter verbessert. Der pH-Wert fiel in 24 h auf ca. 3,5, wodurch ein Auskeimen von Sporen wirksam verhindert werden konnte. Die Phytinsäure ließ sich um 85 Prozent reduzieren, die α-Galactoside um bis 70 Prozent. Die Vorgabe des Gesamt­eiweißgehaltes (4 %) wurde mit 3,95 Prozent erfüllt.

Das Fermentat wurde sensorisch als relativ neutral beschrieben, die Zugabe natürlicher Aromen wie Kokos, Mango etc. war möglich. Durch den hohen Eiweißgehalt kam es jedoch nach wenigen Minuten zur Sedimentbildung, was eine Stabilisierung durch Fette oder Öle erforderlich machte. Diese gelang durch Homo­genisieren unter Zusatz von zwei Prozent Kokosfett.

Ermittelt wurde auch ein Verfahren zur Herstellung von Konzentraten oder Pulvern des Fermentats als Getränkegrundstoff. Eine Aufkonzentrierung war sowohl mittels Vakuumverdampfung als auch mittels Gefriertrocknung oder Sprühtrocknung möglich. Die rückverdünnten Produkte kamen dem Ausgangsprodukt bezüglich Farbe, Sensorik und Stabilität sehr nahe. Weder Fehlgeschmack noch unangenehmes Mundgefühl waren feststellbar. Die leicht getreidig-strohige Note durch den Einsatz von Gerstenmalz beim Maischen wurde durch Aromatisierung mit Apfel-Mango-Getränkegrundstoff überdeckt, so dass das Endprodukt sehr positiv bewertet wurde.

Entwicklungsprojekt 2

Rohstoffbasis: Gekeimte Lupinensaat

Die im zuvor beschriebenen Vorhaben konzipierte Technologie war aus Gründen der schließlich doch mangelhaften Verfügbarkeit des zur Nutzung vorgesehenen Beistroms der Protein-Fabrikation in der Praxis kaum realisierbar. Diese Hemmnisse sollen mit einem neuen Ansatz, ausgehend von einem lagerfähigen Rohstoff, beseitigt werden. Die Herstellung des Getränkes basiert nun auf gekeimten und gedarrten Lupinen, die durch Maischen und ein anschließendes mikrobielles Fermentationsverfahren mit Milchsäurebakterien verarbeitet werden (Abb. 3).

Abb. 3 Vorgesehenes Prozessschema

Abb. 3 Vorgesehenes Prozessschema - weitgehend von der Bierherstellung abgeleitet

Durch ihr proteolytisches Enzympotential sollen Muttersäfte aus Papaya, Ananas oder Ingwer eine weitere Erhöhung des löslichen Proteins in der Maische bewirken. Sekundäre Ziele sind dabei die Aromaverbesserung und die pH-Einstellung zur Förderung der Aktivität der Lupinen-Enzyme. Ferner liefern die Säfte Zucker zur Förderung des Wachstums der Fermentationskeime.

Das Endprodukt, für das dieselben Zielvorgaben wie im Vorläuferprojekt bestehen, soll in Brauereien ohne wesentliche technische Zusatzinvestitionen herstellbar sein und dort der besseren Kapazitätsauslastung, Diversifizierung und im Zusammenhang damit einer sinnvollen Erweiterung der Produktpalette dienen. Es darf kein Konfliktpotential mit der Kernproduktion der Brauerei (z.B. durch potentiell oder obligat bierschädliche Fermentationskeime) entstehen.

Die Herstellung von gekeimter Lupinensaat kann auch für Mälzereien ein Zusatzgeschäft bedeuten. Dabei bestehen wieder die beiden Grundoptionen der Herstellung eines Getränkegrundstoffes aus dem Fermentat oder der fermentativen Herstellung eines Fertiggetränkes.

Vorversuche zur Enzymatik und Auswahl der Fermentationskeime

Parametrische Versuche am BGT unter Variation von Feuchte, Temperatur und Zeit mit drei marktgängigen Süßlupinensorten dienen der Ermittlung der optimalen Parameterkonstellation für maximale Enzymaktivität in der gekeimten Lupinensaat. Für die Bestimmung der relevanten Enzymaktivitäten existieren Standardmethoden.

Neben der Erfassung der pH-Optima der Enzyme steht deren thermische Stabilität (Halbwertszeit) im Vordergrund, woraus sich Temperaturoptima berechnen, aber auch konkrete Maischverfahren planen lassen. Wegen der Zugabe von Muttersäften sind auch Säuregrad und Zuckergehalt von Interesse.

Gleichzeitig erfolgt beim IVV die Entwicklung eines Modellsubstrates, das dem angezielten Halbfabrikat in seiner Zusammensetzung möglichst nahekommen muss, daher aus Lupinenmehl unter enzymatischer Modifikation mit handelsüblichen Enzymen hergestellt wird und dem Screening geeigneter Milchsäurebakterien dienen soll. Dem Modellsubstrat werden Säfte aus Papaya, Ananas oder Ingwer zugemischt. Das Kandidatenspektrum an Fermentationskeimen umfasst homo- und heterofermentative Lactobacillaceae und Bifidobacterium sp., angelehnt an traditionelle Sauermilchprodukte (Joghurt, Kefir) oder bereits erfolgreich kreierte Getränke.

Auswahlkriterien sind, dass keine ausgewiesenen Bierschäd­linge benutzt werden dürfen (bevorzugt daher thermophil, ohne Hopfentoleranz), günstige Wachstumsmerkmale vorliegen (Wachstumsgeschwindigkeit, pH-Absenkung, Extraktverwertung, Gasbildung, Autolysefestigkeit) und eine proteolytische Aktivität, die gegebenenfalls eine weitere Erhöhung des Anteils an löslichem Protein gestattet.

Bedeutend ist auch die Fähigkeit zur Reduktion von Antinutritiva (RFO, Phytat). Die sensorische Qualität (Peptidbittere, Reduktion lipid-bürtiger Carbonyle wie Pentanal zur Vermeidung eines „Leguminosenaromas“) kann dabei immer noch als „Killerkriterium“ zum Verwerfen eines an sich vielversprechenden Stammes führen. Selbstverständlich dürfen auch keine biogenen Amine und keine schleimverursachenden Exopolysaccharide gebildet werden.

Modellierung des Maischverfahrens

Anhand der ermittelten Daten zur Enzymatik erfolgt am BGT eine Modellierung des Maischverfahrens zum Aussteuern der von Lupinen und aus Pflanzensäften stammenden Enzyme mit dem Ziel, einen definierten proteolytischen Abbau zu erreichen und dadurch den Anteil an löslichem Protein zu erhöhen. Dabei werden verschiedene Varianten unter Maßgabe hoher Enzymwirkung formuliert und die beste nach experimenteller Durchführung und analytischer Kontrolle ausgewählt. Durch die Formulierung am Computer lässt sich die Zahl möglicher Varianten drastisch einschränken und Versuchsarbeit sparen.

Bestandteil der Entwicklung des Maischverfahrens sind auch Versuche zur Fettsäureentfernung mittels enzymatischer Lipolyse und Ca++-Fällung (Abscheidung von oxidationsgeneigten Fettsäuren als unlösliche „Kalkseifen“) nach Aufhärten des Maischwassers.

Bestimmung Trennverfahren und Fermentationsparameter

Auch die Suche nach dem ge­eignetsten Fest-Flüssig-Trennverfahren nach abgeschlossenem Maischen erfolgt am BGT durch Parameterprüfung im Läuterbottich (Trenntemperatur, spez. Belastung der Trennfläche, mit oder ohne Lupinenschalen) und durch ein vergleichbares Verfahren am Pilot-Pressmaischefilter, hier eventuell mit angepasster Schrotung. Ein Dekantereinsatz wird lediglich als Ultima Ratio betrachtet, da solche Zentrifugen in der Brauerei selten anzutreffen sind, und wenn, dann lediglich im Hefeverwertungsbereich.

Die mikrobiellen Fermentationsparameter werden beim IVV optimiert an den vorher ausgewählten Stämmen. Verwendet wird das bis dorthin finalisierte Substrat unter Variation von Inoculum, Anfangs-pH, Temperatur und Zeit sowie eventuell einer Spezies-Mischung. Maßgeblich im Fokus stehen dabei Sensorik, Reduktion der Antinutritiva und vor allem der Erhalt eines hohen Anteils an sauerlöslichem Protein. Bei der sensorischen Bewertung gilt neben der Aromaausprägung wieder einer möglichen Peptidbittere und einem Leguminosenaroma besonderes Augenmerk.

Weitere Prozesserarbeitung bis finale Produktanalyse

Das Scaling-up vom Labor- auf den Pilotmaßstab (300 l) wird durch den BGT und durch das IVV gemeinsam durchgeführt, wobei die Lupinensaatkeimung und die Substratbereitung bei ersterem, die Fermentation bei letzterem nach den bis hier abgeleiteten Prozessrichtlinien im Sinne eines rekursiven Optimierungsprozesses stattfinden. Auch die Versuche zur Stabilisierung, Applikation, Analytik, Pasteurisation, Homogenisierung, Aufkonzentrierung und Trocknung für die Grundstoffoption finden als Gemeinschaftsarbeit von IVV und BGT statt.

Angeschlossen sind eine Bestimmung der mikrobiologischen Stabilität (Bacillus-Sporen), die Bestimmung unerwünschter enzymatischer Restaktivitäten und Aromatisierung und das Einarbeiten von Fruchtmischungen in Zusammenarbeit mit Industriepartnern sowie abschließend auch die Analytik der Inhaltsstoffe und der technofunktionellen Eigenschaften, ferner die Prüfung von Stabilität und Mindesthaltbarkeit.

Dank

Abschließend sei noch der AIF gedankt, die die beiden Entwicklungsarbeiten als IGF-Vorhaben unter den Projektnummern 18273F bzw. 20386N gefördert hat und noch fördert.

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