Hefepropagation

Der Sauerstoffgehalt als Leitgröße zur Prozessfühung

Hefepropagation
AutorInstitution
Beugholt, A.Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Geiger, D.Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Becker, T.Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Krinner, A.Krinner Drucklufttechnik GmbH
Datum 09. September 2021
Ausgabe3
Jahrgang89
Seitenzahl107-109

Eine gut geregelte Propagation produziert gleichbleibende Hefekulturen in der benötigen Menge mit hoher Vitalität und Viabilität. Dies ist wesentlich für eine kontinuierlich hohe Endproduktqualität. Die Hefepropagation wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst und weist ein großes Optimierungspotential bei der Prozessführung auf. Neben der grundsätzlichen Wahl des Verfahrens mit zugehöriger Feed-Strategie zur Vermeidung von Substratlimitierungen und Akkumulation von Stoffwechselnebenprodukten, spielt die Versorgung mit Sauerstoff für den Prozess eine entscheidende Rolle. Der Eintrag einer ausreichenden Menge Sauerstoff ist jedoch mit verfahrenstechnischen und technologischen Herausforderungen verbunden, da einerseits eine Unterversorgung der Hefezellen vermieden werden soll, andererseits auch eine Überversorgung negative Auswirkungen hat. 

 

Der Einfluss der Belüftung

 

Die Belüftung der Hefesuspension erfolgt üblicherweise mit steriler Druckluft in einem Puls-Pause-Verfahren. Ein Nachteil dabei ist die starke Schaumbildung während der Puls-Phasen, die bei der Auslegung der Anlagen als Steigraum berücksichtigt werden muss und zusätzliche Kosten verursacht. Durch die Schaumbildung treten negative Folgen wie die Verringerung des nutzbaren Reaktorvolumens, verringerte Stoffübergänge und – im Falle von Überschäumen – Austrag und Verschmutzung von Anlagenteilen auf. Chemische oder mechanische Verfahren zur Schauminhibierung sind jedoch im Lebensmittelbereich oft ungeeignet. Eine übermäßige Belüftung der Hefesuspension führt zu einer Schädigung der Hefezellen durch oxidativen Stress. Oxidativer Stress wird durch die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS) hervorgerufen. Dieser Sammelbegriff beschreibt eine Reihe von reduzierten Formen des molekularen Sauerstoffs wie das Hydroxyl-Radikal (HO·) oder das Hyperoxid-Anion (O2·) [1]. Übersteigt die Bildung von ROS den intrazellulären Abbau während des Stoffwechsels der Hefe, können sie zu Schädigungen an Nukleinsäuren, Proteinen, Lipiden und anderen Zellkomponenten führen [2]. Diese durch Überbelüftung hervorgerufenen Schädigungen können mit einer Abnahme der Vitalität und Viabilität einhergehen und so die Effizienz der Propagation reduzieren. Die Bildung von ROS ist proportional zum Aufeinandertreffen von Sauerstoffatomen mit Redoxenzymen und damit direkt abhängig von der Sauerstoffkonzentration des umgebenden Mediums [3]. Eine Unterversorgung der Hefezellen mit Sauerstoff geht mit negativen Folgen für den Anabolismus und die Lipidsynthese einher. Zudem wird der anaerobe Metabolismus durch zu geringe Sauerstoffkonzentrationen begünstigt, was zu einer erhöhten Ethanolbildung führt.

 

Vorteile angepasster Belüftungsregimes

 

Wird die Belüftung in richtigem Maße eingesetzt, tritt einerseits kein oxidativer Stress auf, andererseits reicht die Sauerstoffversorgung aus, um einer Limitierung entgegenzuwirken. Insbesondere bei Vorliegen hoher Zellzahlen ist es schwierig diese optimalen Prozessbedingungen einzustellen. Wird der aerobe Metabolismus während der Propagation jedoch aufrechterhalten, können deutlich höhere Ausbeuten an Biomasse erzielt werden. Theoretisch ist so eine Umwandlung von 54 % der vorhandenen vergärbaren Zucker in Biomasse möglich, wohingegen unter anaeroben Bedingungen lediglich 7,5 % der Zucker in Biomasse umgewandelt werden [4].

 

Wie kann sauerstoffangereicherte Luft eingesetzt werden?

Um eine exakte und definierte Sauerstoffversorgung zu gewährleisten und eine effiziente Hefepropagation zu ermöglichen, läuft derzeit ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, welches sich mit der Anwendung von sauerstoffangereicherter Luft befasst. Hierbei wird mittels eines Membrantrennverfahrens der Stickstoffanteil in der zugeführten Druckluft reduziert und somit der Sauerstoffanteil im resultierenden Gasgemisch erhöht. Dieses Gasgemisch wird anschließend zur Belüftung der Hefesuspension verwendet. Durch die Verwendung von sauerstoffangereicherter Luft soll aufgrund des höheren Konzentrationsgradienten ein schnellerer diffusiver Übergang des Sauerstoffs in das Propagationsmedium erfolgen und der benötige Volumenstrom reduziert werden. Dieser Effekt kommt besonders bei hohen Zellzahlen mit entsprechenden Sauerstoffverbrauchsraten zum Tragen. 

Experimentelle Untersuchungen

Abbildung 1 zeigt schematisch das Membrantrennverfahren und den Versuchsaufbau. Durch die Verwendung eines Membranfilters (Krinner Drucklufttechnik GmbH, Hohenbrunn bei München) zur Erhöhung der Sauerstoffkonzentration fallen deutliche geringer Kosten an, als bei der Verwendung des technischen Gases. Weiterhin sind neben dem Einbau der Filteranlage keine Änderungen an bestehenden Gasleitungen und sonstigen Versorgungsleitungen nötig.

Abbildung 1

Ziel war die Untersuchung des Einflusses verschiedener Volumenströme und Sauerstoffkonzentrationen der Belüftung auf die Hefepropagation der Hefe TUM 34/70. Es wurden unter standardisierten Anstellbedingungen feste Puls-Pause-Zyklen gefahren und unter anderem die Substratkonzentrationen im Medium, das gebildete Schaumvolumen, die Alkoholkonzentration sowie Viabilität und Vitalität der Hefe erfasst. Die Schaumhöhe wurde mit einem Lasersensor gemessen und das Schaumvolumen über die Geometrie des Tanks bestimmt.

VSchaum = Schaumvolumen, D = Propagatordurchmesser, h = Distanz zur Schaumoberfläche, h0 = Distanz zur Flüssigkeitsoberfläche ohne Schaum

Die Schaumbildung wurde als Verhältnis equation_1.pdf des Schaumvolumens equation_2.pdfzum Flüssigkeitsvolumen equation_3.pdf im Propagator ausgedrückt, wobei ein Wert von Null einem schaumfreien Zustand entspricht. 

Diese Darstellung ermöglicht die Betrachtung der Schaumbildung unabhängig von absoluten Werten und charakterisiert den benötigen Steigraum. Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang zwischen der Schaumbildung und den Parametern Volumenstrom und Sauerstoffkonzentration der zugeführten Luft. Die Sauerstoffkonzentration wurde zwischen 21 % (normale Druckluft, O2equation_5.pdf) und 32 % Sauerstoff (sauerstoffangereicherte Druckluft, O2equation_6.pdf) variiert. Einen wesentlichen Einfluss auf die Schaumbildung hatte der Volumenstrom, der in den dargestellten Experimenten zwischen 0,5 NL/min (niedriger Volumenstrom, equation_7.pdf) und 1,5 NL/min (hoher Volumenstrom, equation_8.pdf) variiert wurde. Bereits nach 12 Stunden war ein deutlicher Unterschied zu den Propagationen mit geringem Volumenstrom festzustellen. Bei gleichem Volumenstrom führte der Einsatz von sauerstoffangereicherter Luft zu einer geringeren Schaumbildung bei unveränderter Pulsdauer.   

Abbildung 2

Einfluss auf den metabolischen Zustand der Hefe

In Abbildung 3 ist der aerobe Anteil der Propagationen dargestellt. Der aerobe Anteil gibt als dimensionslose Kennzahl den Anteil der gesamten Prozessdauer an, in dem der Metabolismus der Hefe nach Annemüller [5] im aeroben Bereich abläuft. Bis Stunde 31 laufen alle Propagationen aerob ab, was bedeutet, dass die Puls-Phasen der gepulsten Belüftung das Niveau des Gelöstsauerstoffs derart anheben, dass der Sauerstoffgehalt des Propagationsmediums selbst in den Pause-Phasen nicht unter die Grenze zum anaeroben Bereich fällt. Mit steigender Zellzahl nimmt jedoch auch die Sauerstoffaufnahmerate OUR (oxygen uptake rate) derart zu, dass eine Sauerstofflimitierung in den Pause-Phasen auftritt. Sowohl eine Erhöhung des Volumenstroms als auch der Sauerstoffkonzentration der Druckluft verzögern die Sauerstofflimitierungen während der Pause-Phasen durch eine stärkere Sauerstoffanreicherung in den Belüftungsphasen und ermöglichen so eine längere Phase des aeroben Metabolismus. Insbesondere bei geringen Volumenströmen, die zur Reduzierung der Schaumbildung eingesetzt werden, wird der Effekt der sauerstoffangereicherten Luft sichtbar. Hier ist ein deutlicher Unterschied des aeroben Anteils im Vergleich zur Propagation mit normaler Druckluft sichtbar. Somit verlängert die Verwendung von sauerstoffangereicherter Luft die aerobe Phase der Propagation und ein verbessertes Wachstum kann erreicht werden.

Abbildung 3

Einsatz von Regelungssystemen

Neben den gezeigten Untersuchungen mit konstantem Puls-Pause-Verhältnis, werden derzeit Propagationen durchgeführt, bei denen ein konstanter Sauerstoffgehalt im Medium eingestellt und geregelt wird. Dadurch wird der Einfluss der Sauerstoffkonzentration auf die Vitalität, Viabilität und Hefezellzahl untersucht. Durch die Einführung von adaptiven Regelungskonzepten soll anschließend das Belüftungsregime hinsichtlich Pulsfrequenz und -dauer, Volumenstrom und Sauerstoffkonzentration des Gasgemisches, welches zur Belüftung eingesetzt wird, angepasst werden. Weiterhin wird untersucht, inwiefern die Puls-Phasen insbesondere gegen Ende des Prozesses mit ansteigender Sauerstoffkonzentration der Zuluft verkürzt und dadurch die Schaumbildung reduziert werden können.

Abbildung 4

Danksagung

Das Forschungsvorhaben ZF4025035SK9 des zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) wurde mit der Unterstützung der AiF Projekt GmbH durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

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