Neue Ansätze gegen die Lebensmittelverschwendung

Einsatz künstlicher Intelligenz (KI)

Neue Ansätze gegen die Lebensmittelverschwendung
AutorInstitution
Dominik Ulrich GeierLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Michael MetzenmacherLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Günther GassnerLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Prof. Thomas BeckerLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Datum 29. Oktober 2020
Ausgabe4
Jahrgang88
Seitenzahl126-127

Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) werden bisher im Bereich der Lebensmittelindustrie wenig eingesetzt, besitzen aber das Potenzial, die Verschwendung von Lebensmitteln deutlich zu reduzieren. Das Forschungsprojekt „REIF – Resource-efficient, Economic and Intelligent Foodchain“ entwirft dazu ein Ökosystem, von dem die Lebensmittelindustrie, Anlagen- und Softwarehersteller und die Gesellschaft als Gesamtes profitieren sollen.

Lebensmittelverluste in großen Mengen

Laut der WWF-Studie „Das große Wegschmeißen“ aus dem Jahr 2015 werden in Deutschland jährlich mehr als 18 Millionen Tonnen an Lebensmitteln aus unterschiedlichen Gründen nicht konsumiert, was fast einem Drittel des Bedarfs an Lebensmitteln entspricht.

Von den nicht konsumierten Lebensmitteln, die unter hohem Arbeits- und Ressourcenaufwand produziert worden sind, sind mehr als die Hälfte vermeidbare Verluste. Dabei entstehen bis zu 60 Prozent der Verluste während des Herstellungsprozesses der Lebensmittel entlang der Wertschöpfungskette.

Darüber hinaus unterliegen viele Lebensmittel starken Nachfrageschwankungen. Gerade im Bereich der leicht bzw. schnell verderblichen Produkte ist die Planungskomplexität mit konventionellen Ansätzen nicht zu beherrschen, da sie sich über alle Wertschöpfungsstufen – von der Erzeugung der Rohstoffe über die Verarbeitung bis hin zum Verbraucher – erstreckt. Weitere Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette entstehen durch die Wechselwirkung von vor- oder nachgelagerten Stufen (Abb. 1).

Abb. 1 Gründe für Lebensmittelverluste in der Wertschöpfungskette

Abb. 1 Gründe für Lebensmittelverluste in der Wertschöpfungskette 

Komplexe Strukturen der Lebensmittelindustrie

Da die Lebensmittelindustrie ein weitverzweigtes Ökosystem mit vielen unterschiedlichen Akteuren ist, können keine konventionellen Methoden eingesetzt werden. Die strengen Anforderungen an die Produktsicherheit, geringe Planbarkeit in der Landwirtschaft und zahlreiche produktspezifische Randbedingungen erhöhen zudem die Komplexität weiter. Jedoch gelten für die Lebensmittelindustrie strenge gesetzliche Regelungen und es werden überdurchschnittlich viele produkt- und prozessbezogene Daten generiert, was eine ideale Ausgangsbasis für Methoden der künstlichen Intelligenz darstellt. Das Forschungsprojekt REIF hat daher das Ziel, die Lebensmittelverschwendung in Deutschland durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz deutlich zu reduzieren.

Lernendes Wertschöpfungsnetzwerk

Dazu soll ein lernendes Wertschöpfungsnetzwerk für die Lebensmittelindustrie konzeptioniert und als KI-Ökosystem genutzt werden, um Einsparpotenziale zu identifizieren und innovative Lösungsansätze zu entwickeln (Abb. 2).

Abb. 2 Vernetzung der Partner im Netzwert sowie Verfügbarkeit von Daten

Abb. 2 Vernetzung der Partner im Netzwert sowie die Verfügbarkeit von Daten aus den vor- und nachgelagerten Prozessschritten

Um die Lebensmittelverschwendung entlang von ganzheitlich betrachteten Wertschöpfungsketten zu reduzieren, erfolgt eine Fokussierung auf zwei Handlungsfelder:

  • Verbesserung der Planbarkeit von Wertschöpfungsstufen sowie der Qualität von Produktionsprozessen durch den Einsatz von KI;
  • Optimierung der Wertschöpfungsketten an sich und vereinfachte Kommunikation der Wertschöpfungspartner untereinander, um die Ressourceneffizienz zu steigern. 

Zusammengeführte Produktinfos als Datenkorpus für KI-Modelle

Zusätzlich zur Integration von KI in das Wertschöpfungsnetzwerk ist die Kombination mit bestehenden Technologien, Verfahren und Steuerungsarchitekturen ein Kernelement des Lösungsansatzes. Die Vernetzung von Produktionsstrukturen ermöglicht eine Dezentralisierung der Produktion sowie eine dynamische Anlagenkonfiguration, wodurch physische Strukturen und Software als Ganzes integriert werden können. Durch die Kombination und Vernetzung werden zudem bestehende Datenstrukturen und Semantiken so verknüpft, dass der Aufwand zur Datenerfassung minimiert und die Umsetzung von KI-Verfahren beschleunigt wird.

Beispielsweise soll durch das gezielte Zusammenführen von lieferkettenspezifischen Informationen ein sogenannter Datenkorpus entstehen. Dieser Korpus spiegelt ein Produkt entlang seiner Wertschöpfungskette wider und wird im Anschluss eingesetzt, um KI-Modelle zu trainieren. Die Modelle lernen das Wertschöpfungsnetzwerk durch das Verarbeiten der auftretenden Ereignisse in Kombination mit den bekannten Merkmalen aus dem Datenkorpus als Ganzes zu verstehen. Ergänzend dazu soll eine autonome, aber regelbasierte KI-Anwendung in der Wertschöpfungskette befindliche Lebensmittel so verteilen, dass eventuelle Verluste minimiert werden. Darüber hinaus sollen Vorhersagemodelle entwickelt werden, die auf Basis von historischen und aktuellen Daten die Nachfrage prognostizieren. Dies soll zu einem effizienteren Zusammenspiel der einzelnen Wertschöpfungsstufen führen, um Überproduktion und Verschwendung zu minimieren.

Förderung

Das Projekt REIF ist Teil des Innovationswettbewerbs „Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme“ und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.ki-reif.de.

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