Probiotische Hefe?

Neue Ansätze zur Hefeverwertung in der Mikroverkapselung

Probiotische Hefe?
AutorInstitution
Marco EigenfeldLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Roland KerpesLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Prof. Thomas BeckerLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Datum 19. März 2020
Ausgabe1
Jahrgang88
Seitenzahl34-36

Gelägerhefe aus der Fermentation und Lagerung eignet sich aufgrund der Zellwandzusammensetzung (hoher Protein-, Mineralstoff und Vitamingehalt) und des natürlichen Ursprungs für die weitere Verwendung als Verkapselungsmaterial [1, 2] in der Nahrungsmittelindustrie [3]. Aufgrund dieser positiven Eigenschaft ist eine Weiterverarbeitung und Aufbereitung der Hefe naheliegend. Eine Einschränkung stellt dabei die Bindung von Hopfenbitterstoffen, v.a. Iso-α-Säuren, an der Hefezellwand dar [4]. Durch die Adsorption der Iso-α-Säuren an die Hefezellwand haben diese einen sensorisch wahrnehmbaren bitteren Geschmack und werden deshalb zum größten Teil als Futtermittel verwendet [4, 5]. Hefezellen eignen sich jedoch durch die Kombination des genannten Protein-, Mineralstoff- und Vitamingehalts der Hefezellwand gut für den Einsatz in der Nahrungsmittelindustrie [5, 6].

Das Upcycling der aus Ernährungssicht wertvollen Biomasse ist somit naheliegend und wurde im Rahmen des Projektes untersucht. Vorrangiges Ziel war die Entwicklung eines Verfahrens, das die Nutzung von Hefezellwandfragmenten aus Gelägerhefe als Rohstoff für die Mikroverkapselung ermöglicht. Das Forschungsprojekt wurde dabei in drei Hauptarbeitsschritte untergliedert:

  • schonende Aufreinigung der Gelägerhefe;
  • Erzeugung von Hefezellwandfragmenten;
  • Verkapselung von Ölen und Einbringung in Modelllebensmittel.

Aufreinigung der Gelägerhefe

Im ersten Schritt wurde ein geeignetes Aufreinigungs- und Stabilisierungskonzept entwickelt, um Brauereiresthefe von anhaftenden Würzebestandteilen und Gärungsnebenprodukten schonend zu reinigen. Es zeigte sich, dass die Hefe zunächst bei 100 µm gesiebt werden musste, um Autolyseprodukte, Brandhefe und Hopfenbestandteile abzutrennen. Anschließend wurde durch parallele Variation der Parameter Temperatur, pH-Wert, Zeit und Anzahl an Waschschritten ein schonendes Verfahren zur Aufreinigung der Hefe entwickelt. Die Aufreinigung der Hefezellen erfolgte final durch drei Waschschritte mit Kaliumphosphatpuffer bei pH 7 sowie durch zwei Entbitterungsschritte, bestehend aus einer parallelen pH-Wert-Erhöhung auf pH 9 und Senkung der Temperatur auf 6 °C für 30 Minuten.

Während der Waschschritte konnte eine Abreinigung von Bitterstoffen zu 37,9 Prozent erzielt werden. Weitere Waschschritte führten zu keiner weiteren Abreicherung der Bitterstoffe. Die Ergebnisse des vollfaktoriellen Modells zur Optimierung der Entbitterungsschritte (Abb. 1) ergaben, dass der pH-Wert (A) den größten Einfluss besitzt, gefolgt von der Einwirkdauer (B). Die Temperatur (C) hatte einen geringen Effekt. Durch die Optimierung des Verfahrens konnte eine durchschnittliche Abreinigung der Erntehefen von 60,4 Prozent erreicht werden. Die Gelägerhefe zeigte sogar eine Abreinigung von 78,1 Prozent. Der Restgehalt der Bitterstoffe an der Hefe liegt bei 0,56 BE/g Feuchtmasse.

Abb. 1 Einflussparameter pH-Wert (A), Zeit (B), Temperatur (C) und ihr Effekt auf Entbitterung

Abb. 1  Einflussparameter pH (A), Zeit (B) und Temperatur (C) und deren Effekt auf die Entbitterung in Würze-Bouillon, n = 3, Vertrauensbereich 95 %, 99 % und 99,9 %

Erzeugung von Hefezellwandfragmenten

Nach erfolgter Abreinigung der Reststoffe des Brauprozesses wurde die Hochdruckhomogenisation (HDH) als Verfahren zum Zellaufschluss von Bierhefe systematisch untersucht, um die optimalen Parameter zur Gewinnung von Zellwandfragmenten für die Verkapselung zu ermitteln. Hierzu wurden neun umfangreiche Versuchsreihen zur Hochdruckhomogenisation von Erntehefe durchgeführt. Dabei wurden folgende Parameter variiert:

  • Druck 300-1000 bar;
  • Anzahl der Durchläufe 1-5;
  • Durchlaufvolumen;
  • ein- und zweistufige Homogenisation.

Die zweistufige Homogenisation unterscheidet sich von einer einstufigen durch unterschiedliche Druckstufen der beiden Homogenisationsdurchläufe. Nach der HDH wurde der Zellaufschlussgrad der Hefen mittels einer Zählkammer und Methylenblaufärbung mikroskopisch durch Vergleich mit der jeweiligen unbehandelten Nullprobe bestimmt. Bei den Versuchsreihen zeigte sich generell bei allen Drücken eine nicht lineare Zunahme des Aufschlussgrades mit zunehmender Anzahl der Durchläufe. Je höher der gewählte Homogenisierdruck war, desto schneller wurde ein vollständiger Zellaufschluss erreicht (Abb. 2). Eine zweistufige Homogenisation führte im Vergleich zur einstufigen zu keiner signifikanten Verbesserung der Aufschlussgrade.

Abb. 2  Hochdruckhomogenisation von Erntehefe: Charakteristischer Verlauf des Aufschlussgrades in Abhängigkeit von Druck und Anzahl der Durchläufe

Abb. 2  Hochdruckhomogenisation von Erntehefe: Charakteristischer Verlauf des Aufschlussgrades in Abhängigkeit von Druck und Anzahl der Durchläufe, Mittelwerte von 2 Versuchsreihen, n=2

Im Falle der untergärigen Reinzuchthefe zeigte sich, dass diese stabiler ist und ein Druck von 800 bar und mindestens drei Durchläufe erforderlich waren, um Aufschlussgrade >98 Prozent zu erzielen. Im Falle der gereinigten Erntehefe war nach drei Durchläufen bei 600 bzw. 800 bar jeweils ein maximaler Aufschlussgrad >95 Prozent bestimmt worden. Dieses Ergebnis wurde zudem über die Messung des Massenanteils des Gesamtstickstoffs der ermittelten Zellaufschlussgrade (Gesamtstickstoff im Überstand im Verhältnis zum Gesamtstickstoff im jeweiligen Originalansatz) bei der HDH von Hefe bestätigt.

Entwicklung Referenzsystem zur Verkapselung

Aus dem Zellaufschluss resultierten die Hefezellschalen und Hefezellfragmente, die für die nachfolgenden Arbeitsschritte eingesetzt wurden. Bevor Öle oder Aromastoffe in diese aufgeschlossenen Hefezellen und Hefezellschalen eingebracht werden konnten, war es zunächst notwendig, ein Referenzsystem zur Verkapselung auf Basis von Gummi arabicum (GA) und Maltodextrin (MD) zu etablieren. Als Substanz für dieses Referenzsystem wurde Leinöl mittels Hefezellwandfragmenten (HZW), GA und MD rein und in Mischungen (GA:Hefezellwänden; 100:0; 20:80; 50:50; 80:20; 0:100) verkapselt. Der Fokus lag hierbei auf der Methodenentwicklung zur Ermittlung der Emulsionsstabilität und der Verkapselungseffizienz.

In diesen Versuchen zeigte sich, dass die Referenzrezeptur auf Basis von GA und MD (15 % TS) bei Substitution des GA mit HZW realisierbar war. Bei der Analytik der Emulsionseigenschaften der Emulsionen mit 9 Prozent Öl zeigte sich bei stufenweiser Substitution des GA durch HZW eine Zunahme der mittleren Partikelgröße (D50) mit zunehmendem Anteil an Hefe in der Emulsion. Die Werte lagen im Bereich von 0,6 µm bei der Referenz und bis zu 5,6 µm bei der Rezeptur mit 100 Prozent HZW anstelle des GA. Bei Erhöhung des Ölgehaltes von 8,8 Prozent auf 25,4 Prozent blieben die Partikelgrößen der Referenzemulsionen nahezu konstant zwischen 0,6 µm und 0,9 µm, während sie bei den Emulsionen mit HZW mit dem Ölgehalt anstiegen und mit Werten von 6-10 µm insgesamt deutlich größer waren.

Abschließend wurden die in den verschiedenen Versuchsreihen erzeugten Kapseln im REM untersucht. Abbildung 3 zeigt beispielhaft Aufnahmen eines Referenzsystems (links) im Vergleich zu einem System mit 20 Prozent GA und 80 Prozent HZW (rechts) jeweils bei einem Ölgehalt von 25 Prozent. Man erkennt bei beiden Verkapselungen ein heterogenes Gemisch von stabilen Partikeln mit Durchmessern im Bereich von ca. 3-10 µm, die zum Teil auch aggregiert vorliegen. Beim Referenzsystem erscheinen die Strukturen der Einzelpartikel etwas schärfer abgegrenzt.

Effektivitätsbewertung: Sensorische Beurteilung und Alterungsversuche

Abschließend sollten zwei Kapselsysteme unter Verwendung von Hefezellwänden nach dem zuvor entwickelten Verfahren im Labor hergestellt und sensorisch untersucht werden. Als Modellsubstanzen wurden Leinöl (25 % auf TS bezogen) und Zitronenöl (15 % auf TS bezogen) jeweils in einer Matrix aus Gummi arabicum und Hefezellschalen (Verhältnis 20:80) verkapselt. Als Referenz wurden jeweils Kapseln rein aus Gummi arabicum hergestellt. Die Kapseln wurden bei 40 °C (forcierte Bedingungen; entspricht einer theoretischen Lagerung von 3 Monaten) im Vergleich zu einer Lagerung bei 4 °C über einen Zeitraum von vier Wochen gelagert. Nach der Verkapselung folgte die Einarbeitung der Kapseln in eine flüssige Matrix. Hierbei wurde ein kommerziell erhältlicher isotonischer Sportsdrink in Pulverform (Zitrusaroma) gewählt. Die Effektivität des entwickelten Verkapselungssystems sollte mittels verkapselter Produkte in einem wässrigen System im kleintechnischen Maßstab bewertet werden. Dies erfolgte durch eine sensorische Beurteilung mittels eines Dreieckstests durch ein geschultes und ungeschultes Panel. Die sensorische Bewertung des Drinks zeigte direkt nach der Herstellung der Kapseln, dass lediglich geschulte Verkoster einen signifikanten Unterschied zwischen den drei Proben feststellen konnten. Ungeschulte Verkoster konnten keine signifikante Abweichung der Proben erkennen.

Signifikante Veränderungen ergaben sich hinsichtlich der Alterungsversuche der Kapseln. Hierbei wurden alle bei 4°C gelagerten Proben mit zugesetzten Kapseln von 100 Prozent der Verkoster erkannt. Die Hefekapseln fielen sensorisch mit einem stark oxidierten Geschmack auf. Zudem hatte die Probe einen öligen und benetzenden Eindruck, was auf einen Austritt von Öl aus der Kapsel hindeutet. Proben mit verkapseltem Limonen schmeckten hingegen nach einem starken Zitrusaroma (oxidiert), welches trotz des Zitronenaromas des Drinks markant auffiel.

Eine stärkere Ausprägung zeigte sich bei den Proben, die bei 40 °C gelagert wurden. Diese Lagerung wirkt sich bei allen Proben in der sensorischen Beurteilung im Süße-Säure-Verhältnis aus. Bei verkapseltem Leinöl fiel auf, dass die Hefe-Gummi arabicum-Kapseln als ausgewogener, beide Proben (Gummi arabicum und Hefe:Gummi arabicum (80:20)) jedoch als ölig umschrieben wurden. Die Probe des verkapselten Leinöls in Gummi arabicum-Kapseln war hingegen unlöslich und wirkte im Geruch ranzig. Verkapseltes Limonen wirkte sich süßer und unausgewogen auf die Sensorik aus.

Fazit

Als Fazit lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die erzeugten Hefezellwandfragmente als Verkapselungsmaterialien geeignet sind und Gummi arabicum ersetzen können. Die Verkapselung von Leinöl konnte erfolgreich durchgeführt werden, wobei hohe, mit dem Referenzsystem aus Gummi arabicum vergleichbare Verkapselungseffizienzen erzielt wurden. Eine noch offene Aufgabenstellung wäre die Verringerung der Oxidation der verkapselten Öle durch eine optimierte Modifikation der Hefezellwände hinsichtlich der Partikelgrößenverteilung. Unter der Voraussetzung, dass für Hefezellwände in der realen Anwendung ein vergleichbarer Schutz der verkapselten Zutat, z.B. gegen Oxidation, wie für Gummi arabicum nachweisbar ist, wäre eine nachhaltige Ressource zur weiteren Anwendung in Nahrungsmitteln und ein alternativer Prozess zur Resthefeverwertung erschlossen.

Literatur

1.  Paramera, E. I.; Konteles, S. J.; Karathanos, V. T.: „Microencapsulation of curcumin in cells of Saccharomyces cerevisiae“; Food Chemistry, 125 (3), 2011, S. 892-902.
2.  Mokhtari, S.; et al.: „The cell wall compound of Saccharomyces cerevisiae as a novel wall material for encapsulation of probiotics“, Food Research International, 96, 2017, S. 19-26.
3.  Annemüller, G.; Manger, H. J.; Lietz, P.: Die Hefe in der Brauerei: Hefemanagement, Kulturhefe - Hefereinzucht, Hefepropagation im Bierherstellungsprozess, VLB, 2008.
4.  Shotipruk, A.; et al.: „Application of rotary microfiltration in debittering process of spent brewer’s yeast“; Bioresource Technology, 96 (17), 2005, S.1851-1859.
5.  Ferreira, I. M. P. L. V. O.; et al.: „Brewer's Saccharomyces yeast biomass: characteristics and potential applications“, Trends in Food Science & Technology, 21 (2), 2010; S. 77-84.
6.  Chae, H. J.; Joo, H.; In, M.-J.: „Utilization of brewer's yeast cells for the production of food-grade yeast extract. Part 1: effects of different enzymatic treatments on solid and protein recovery and flavor characteristics“, Bioresource Technology, 76 (3), 2001, S. 253-258.

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